Heute mal wieder eine eher philosophische Frage: Warum blogge ich über Themen, bei denen ich kein Experte bin?
Fangen wir von vorne an. Als ich diesen Blog gestartet habe, wollte ich vor allem über Themen schreiben, mit welchen ich mich beschäftige. Zwar waren auch Themen wie Hockeyberichte und Poker vertreten, aber mein Hauptantrieb war es über meine Erkenntnisse in der Softwareentwicklung zu schreiben.
Anfangs berichtet ich nur über Themen, bei denen ich sicher war, dass ich auch sicher nichts falsches schreibe. Es waren vor allem Themen, über die ich genau Bescheid wusste oder ich fasste Erkenntnisse zusammen, welche ich aus Büchern / Blogs usw. hatte. Grundsätzlich ist das ja auch nichts schlechtes. Ich vermisste aber Feedback von den Leuten. Das fehlende Feedback war aber nicht verwunderlich, ich berichtete schliesslich über Dinge, die einen sicheren Wert darstellten und daher kannten es entweder die meisten Leute schon, oder es war unspektaktulär.
Am Anfang hatte ich viele Fragen, bei denen ich einfach unsicher war, ob es einfach nur Fragen eines eher unerfahrenen Entwicklers sind, oder ob diese Fragen viele Leute beschäftigen. Mit der Zeit entdeckte ich Themen, bei der viele Entwickler unsicher sind und darum fing ich an diesbezüglich Nachforschungen anzustellen.
Durch Bücher, Blogs, Gespräche mit Kollegen und auch eigene Überlegungen gelangte ich an ein gewisses Wissen bei welchem ich aber nicht wirklich sicher war, ob dies auch stimmte. Anfangs getraute ich mich auch noch nicht, über solche Themen zu bloggen.
Vor circa 5-6 Monaten begann ich aber auch über Themen zu schreiben, bei welchen ich absolut kein Experte war, und bei denen ich auch nicht sicher wusste, ob dies auch stimmt. ( z.B PHP == Java == Javascript? oder Crap Code – Warum gibt es so viel schlechte Software? usw… )
Teilweise wurde ich dann angegriffen, weil gewisse Aussagen von mir falsch oder ungenau waren.
Um nun also nochmals zu meiner ursprünglichen Fragen zurück zu kommen. Warum blogge ich über Themen, bei denen ich kein Experte bin?
Ganz einfach – die positiven Dinge überwiegen deutlich gegenüber den negativen:
+ Ich erhalte mehr Feedback. Häufig werden viel interessantere Diskussion ausgelöst, als bei klaren und einfachen Themen.
+ Durch das Feedback kann ich prüfen, ob meine Annahmen richtig sind, dadurch lerne ich etwas.
+ Wenn ich kritisiert werde, motiviert mich das, weitere Nachforschungen anzustellen. Dadurch lerne ich normalerweise immer wieder dazu.
+ Ich erhalte auch immer wieder mal einen guten Tip oder neue spannende Quellen.
– Negative Kritik oder auch der Angriff, dass ich ja keine Ahnung habe, beschäftigt mich logischerweise. Aber auch dies spornt mich an, weiter dazu zu lernen. Kein Meister ist vom Himmel gefallen.
– Wenn jemand meine vielleicht auch falschen Schlussfolgerungen für bare Münze nimmt, besteht die Gefahr, dass sich falsches Wissen verbreitet
Auf jeden Fall ist ein Blog langweilig und unmotivierend, der nicht gelesen wird und bei dem die Leser kein Feedback geben.
Daher möchte ich allen Lesern an dieser Stelle ganz herzlich für die aktive Teilnahme an meinem Blog danken!
Das ist ein interessanter Punkt, den du da ansprichst. Gelerntes Wissen niederzuschreiben und noch der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen ist eine Motivation, ein Blog zu schreiben. Abhängig vom Thema werden einige bis viele Leser etwas neues Lernen, aber der ein oder andere Besucher kommt genau wegen diesem einem Beitrag zu dir, da er das Problem auch löst. Wenn ich mit jedem Beitrag 1 Person helfen konnte, habe ich für mich persönlich mein Ziel erreicht.
Dann kann man auch noch Diskussionen “anzetteln”. Ich finde das ist relativ leicht, denn man muss nur ein kontroverses Thema anschneiden und dort eine Stellung beziehen. Dann lernt man nicht nur viel, sondern muss sich auch gegenüber “Fanboys” rechtfertigen. Das macht nur auf lange Sicht irgendwann keinen Spaß mehr. Das Schöne an einem Blog ist ja, du kannst entscheiden, worauf du Lust hast. 😉
Möglicherweise komme ich mit meinem Kommentar als advocatus diaboli rüber, aber ich hoffe, dass ich mit meinen möglicherweise provokativen Worten Gedankengänge anregen kann, die dir helfen, als Blogger zu wachsen.
“Als ich diesen Blog gestartet habe, wollte ich vor allem über Themen schreiben, mit welchen ich mich beschäftige.”
Warum wolltest du über Themen schreiben, mit denen du dich beschäftigst? Anerkennung? Lernen durch Lehren? Belehren? Interessante Diskussionen? Kontakt zu Gleichgesinnten? Gedächtnisstütze? Validierung deiner Erkenntnisse? Extrinsische Motivation durch Feedback? Spaß am Lehren?
Ich finde es hilfreich, ernsthaft über seine Motivationen nachzudenken, auch wenn einige Motive einem nicht behagen. Gibt es möglicherweise bessere Alternativen/Medien, um die Bedürfnisse zu befriedigen?
“[…] ich berichtete schliesslich über Dinge, die einen sicheren Wert darstellten […]”
Ob etwas einen Wert darstellt, hängt maßgeblich vom Publikum ab. Oder behauptest du, dass deine Artikel Wert für einen Fünfjährigen haben? Wenn ein Artikel für deine Leser wertvoll sein soll, dann sollte der Artikel an eine Zielgruppe gerichtet sein, die deinen Blog auch besucht. Es stellt sich die Frage, ob der “sichere Wert” tatsächlich einen Wert dargestellt hat. Für mich haben Artikel Wert, wenn sie mich zum Nachdenken anregen – egal, ob ich mit ihnen übereinstimme oder nicht -, mir neue Einsichten vermitteln oder interessante Ideen in die Praxis umsetzen.
Ich verstehe Bloggen als eine wechselseitige Beziehung zwischen Blogger und Lesern. Der Blogger nutzt seinen Verstand und investiert Zeit, um Artikel zu schreiben. Aber auch der Leser investiert Zeit, wenn er einen Artikel liest. Sollte er zusätzlich über den Artikel sinnieren, so investiert auch der Leser Verstand. Optimalerweise gibt der Leser dem Blogger anschließend Feedback. Aber warum sollte der Leser überhaupt die Mühe auf sich nehmen? Hier kommt die Wechselseitigkeit ins Spiel: Der Blogger muss etwas von Wert geben, damit der Leser etwas zurückgeben kann. Wer nichts gibt, der bekommt auch nichts. Die Frage, die sich ein Blogger meiner Meinung nach stellen sollte, ist: Stellt mein Artikel einen Wert für meine Leser dar?
Als ich noch regelmäßig gebloggt habe, hatte ich mir diese Frage nie gestellt. Ich habe über – zumindest in meinen Augen – interessante Ideen, elegante Lösungen, überraschende Zusammenhänge etc. gebloggt. Möglicherweise waren die Artikel korrekt, durchdacht, vielleicht sogar anschaulich, aber habe ich wirklich hervorgehoben, warum die Ideen interessant für meine Leserschaft sein sollten? Nein, ich habe mich auf das Thema konzentriert, aber nicht auf die Leserschaft – ich war mir nicht einmal meiner Zielgruppe bewusst.
Mit diesem Wissen ausgestattet, hoffe ich, bald wieder mit dem Bloggen zu beginnen. 🙂
“Durch Bücher, Blogs, Gespräche mit Kollegen und auch eigene Überlegungen gelangte ich an ein gewisses Wissen bei welchem ich aber nicht wirklich sicher war, ob dies auch stimmte. […]”
Du hast dir Meinungen gebildet. Es ist per definitionem nicht möglich, sich bei seinem Wissen unsicher zu sein, denn dann würde man nur glauben, etwas zu wissen. Als Leser finde ich es wesentlich, zu erfahren, ob es nur eine Meinung des Autors ist oder ob er es als unumstößlich, d.h. als Wissen, ansieht.
Um Gedanken anzuregen, braucht man sicherlich kein Experte zu sein. Dennoch sollte man klar zwischen These und Fakten differenzieren. Natürlich sollte man gute Gründe haben, eine These zu vertreten; es sollte aber deutlich gemacht werden, dass man auch von der These abweichen kann, wenn es ernstzunehmende Gründe gibt, die These zu falsifizieren.
Danke für deinen wertvollen Beitrag, der mich dazu angeregt hat, über die Motivationen des Bloggens nachzudenken. 🙂
@Norbert
Jepp, das schön an einem Blog ist, dass man sich die Themen selber auswählen kann 🙂
Bezüglich den kontroversen Themen:
Es geht mir nicht darum, möglichst viel Wirbel zu veranstalten, sondern um über Themen zu diskutieren, bei denen viele Entwickler unsicher sind (so wie ich auch). Über ganz spezifische technische Probleme bzw. Lösungen zu schreiben (z.B. wie man einen Webservice mit PHP in seinen WordPress Blog einbaut) sind natürlich sehr nützlich, wenn ich für diese Problemstellung eine Lösung suche.
Wo es in der Softwareentwicklung aber viel häufiger Probleme gibt, sind meiner Meinung nach Architektur und Design Fragen. Wahrscheinlich ist der Kreis derjenigen, die sich in diesem Bereich gut auskennen einfach viel kleiner und daher ist es auch schwieriger in diesem Bereich an Knowhow zu gelangen.
@Andre
Ich denke ich bin mir relativ klar bewusst, was meine Motivation bzw. was meine Ziele bezüglich diesem Blog sind (im Bereich Softwareentwicklung):
– Gelesenes / gelerntes verarbeiten
– Gedächtnisstütze
– Wissen und eigene Thesen den Lesern zur Verfügung stellen
– Durch Feedback von den Lesern gemeinsam mit dem Leser dazu lernen
– Leistungsausweis für zukünftige Arbeitgeber
– Neue Kontakte knüpfen
Was ist ein sicherer Wert?
Wahrscheinlich war ich hier wieder einmal zu unpräzise. Mit einem sicheren Wert meinte ich eigentlich den Begriff Wissen. Sprich, ein Artikel, welcher einen sicheren Wert darstellt, ist ein Artikel, bei dem ich Wissen zusammenfasse und das Risiko sehr klein ist, das ich verrissen werde.
Aber es stimmt absolut was du sagst. Der Wert eines Artikels ist für jeden Leser unterschiedlich.
Was ist Wissen?
Genau bei diesem Punkt habe ich häufig Probleme, wenn ich einen Beitrag schreibe. Woher weiss ich, das was ich glaube das es Wissen ist, tatsächlich Wissen ist?
Wenn ich überlege, was ich vor einigen Jahren für haarsträubenden Code geschrieben habe – zu diesem Zeitpunkt dachte ich, das wäre optimal.
Die Softwareentwicklungsbranche ist sich ja auch selber am entwickeln. Was heute als der heilige Gral angekündigt wird, ist schon morgen wieder überholt und man lächelt nur darüber.
Daher bin ich vor allem bei sehr vielseitigen und komplexen Themenbereichen wie Softwaredesign, Softwarequalität und Softwarearchitektur unsicher, ob ich mein geglaubtes Wissen vermitteln soll.
Aber wahrscheinlich ist der Austausch die einzige Möglichkeit sich weiterzuentwickeln, auch wenn man dabei ab und zu mal eine falsche oder ungenaue Aussage macht.
Angriff und Verteidigung gehören zu einer Diskussion eigentlich dazu. Ohne Angriff ist es eine Lobhuddelei, langweilig.
Aber man sollte schon zwischen den konstruktiven Angriff in einer Diskussion (aka. Kritik) und den sinnlosen Angriffen, die nur gemacht werden um irgendetwas zu sagen, unterscheiden.
Wenn man etwas beschreibt was vorne und hinten nicht stimmt und noch nicht einmal im Ansatz funktionstüchtig ist, dann kann jede Kritik nur ein “Angriff” sein. Die Behauptung, man hätte keine Ahnung, ist ja gerechtfertigt. Wenn man jedoch einen anderen Weg beschreibt um ein Problem zu lösen und ein Fanatiker oder Fundamentalist behauptet man hätte keine Ahnung weil dies ein anderer Weg wäre, dann ist das schlichtweg keine Kritik mehr, sondern ein Fall für die Ablage Rund.
Ich habe gestern auch einen sehr langen Artikel veröffentlicht und erhoffe mir natürlich auch die eine oder andere Reaktion darauf. Schließlich schreibt man am Ende ja nie nur für sich selbst (auch wenn das viele behaupten). In dem Artikel stecken etliche Stunden Arbeit, nicht nur das Schreiben an sich, sondern auch Code-Beispiele die gefunden und getestet werden wollen.
Die Motivation die bei mir hinter solch langen Artikeln steckt ist nicht Lehrmeisterhaft herüber zu kommen, sondern Gedankengänge zu teilen. Ich hätte natürlich auch nur die Lösung veröffentlichen können, dann wäre aber das Wie und Warum vielleicht nicht klar geworden. So kann jeder nachverfolgen warum ich etwas so gemacht habe wie ich es gemacht habe. Und jeder kann sich daran beteiligen bessere Lösungswege zu finden oder die Lösung weiter zu entwickeln bzw. zu verbessern.
Für mich ist das Teilen von Wissen und vor allem woher das Wissen kommt. Leider nimmt sich heutzutage kaum noch jemand die Zeit sich solch langen Artikel durchzulesen und dann auch noch vernünftige Kritik, sowohl positive als auch negative, zu äußern. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass jeder hunderte von Feeds verfolgt und gar nicht mehr richtig mitbekommt was er da liest. Von konstruktiven Diskussionen mal ganz zu schweigen. Da ist es natürlich leichter ein “Du hast ja keine Ahnung” zu posten und schnell weiter zu ziehen. Falls es dann doch mal zu einer konstruktiven Diskussion kommt, nehmen sich die wenigsten die Zeit auch alle Kommentare zu lesen. Dann werden entweder Dinge gesagt die schon 20 mal erwähnt wurden oder auf Sachen rum gehackt die bereits als erledigt angesehen werden können.
Ja, ich mag Artikel und Beiträge die nicht perfekt sind. Perfekte Beiträge machen mich zum passiven Konsumenten. Ich bekomme fertige Lösungen vorgesetzt über die ich nicht mehr nachdenken muss.
Bei unperfekten Artikeln werde ich gefordert. Ich muss über das Wie und Warum nachdenken, muss darüber nachdenken ob man es besser machen kann oder ziehe für mich die guten Ideen aus dem Artikel heraus.
Am Ende ist es das was für mich das Bloggen ausmacht. Unperfektheit. Will ich perfekte Lösungen, kaufe ich mir Fachbücher.
“Woher weiss ich, das was ich glaube das es Wissen ist, tatsächlich Wissen ist?”
Die Frage ist: Gibt es überhaupt absolutes Wissen? Man muss in erster Linie kritisch sein mit dem, was man zu wissen glaubt und es regelmäßig hinterfragen. Dafür muss man sich meist tiefgehender mit den Themen auseinandersetzen. Was passiert, wenn es mehrere scheinbar gleichwertige Theorien gibt? Da hilft zum einen Praxis und zum anderen Prinzipien wie Occam’s Razor [1]. Insgesamt mag das ständige Hinterfragen müßig sein, aber es lohnt sich!
“Daher bin ich vor allem bei sehr vielseitigen und komplexen Themenbereichen wie Softwaredesign, Softwarequalität und Softwarearchitektur unsicher, ob ich mein geglaubtes Wissen vermitteln soll.”
Ich würde die Frage sofort umformulieren: Profitieren meine Leser, wenn ich über das Thema schreibe? Wenn sie davon profitieren, auch wenn es nicht 100%ig korrekt ist, dann werden einige helfen, Schwachstellen zu finden und sogar auszubessern!
Wie man herausfindet, wovon die Leser profitieren… Das steht auf einem anderen Blatt.
@Ralf: Ich mag dein Schlusswort und finde mich in deinem Artikel wieder. 🙂
[1] http://en.wikipedia.org/wiki/Occam%27s_razor
Muss (und will) allen Vorkommentatoren zustimmen.
Es geht nicht um Perfektion (die ich im Übrigen auch nicht immer aus der Fachliteratur bekomme), sondern um kritische Auseinnadersetzung mit einem Thema.
Fies wird es nur, wenn jemand belehrend (ab) schreibt, von dem er mal so gar keine Ahnung hat. Oder schlichtweg tausen mal Verzapftes nur in eine andere Form bringt.
Zum (in Deutschland) leidigen Thema Kritik:
Kritik kommt stammt vom griechischem krínein ab und bedeutet nichts anderes als
“die Kunst der Beurteilung, des Auseinanderhaltens von Fakten, der Infragestellung” (Wikipedia – ich gebe meine Quellen an…).
Von daher gibt es de facto keine positive oder negative Kritik.
Und noch ein Wort zu absolutem Wissen (=absolute Wahrheit):
Es gibt keine absolute Wahrheit.
Absolute Wahrheit ist immer falsch.
Das ist die absolute Wahrheit.
Fazit: mach nur weiter so 😉
Warum nicht? Hast Du vor, einen Artikel zum Thema Software Outsourcing zu schreiben?
Das wäre super!
Das ist ein Effekt, den ich auf feststelle:
Feedback geben Beiträge, die kontrovers sind oder auch mal ein bisschen auf wackeligen Beinen stehen. Ich denke, es hilft dabei, authentisch zu sein, wenn man sich auch mal aus dem Fenster lehnt und sich getraut, etwas zu schreiben, was vielleicht angezweifelt wird. So entwickelt man sich selbst auch weiter und lernt dazu.